Nägelschneiden - Keine Kunst, nur Übung

Oft haben wir schon Meerschweinchen zu Gast gehabt. Meistens schaue ich mir die Kleinen dann mit ihrem Frauchen oder Herrchen an, um ihren Zustand zu erfassen und ihre Eigenheiten kennen zu lernen. Dabei finde ich dann häufig recht lange Nägel an den Zehen der Tiere vor. Gefragt, warum das so sei, bekomme ich vielfach zur Antwort: "Das kann ich nicht" und / oder "Ich war schon lange nicht mehr deswegen beim Tierarzt". Ich möchte zwar unseren Tierärzten ihr Brot nicht wegnehmem, aber es ist wirklich sehr einfach Meerschweinchen die Nägel zu schneiden und dafür reicht eine ruhige Hand und ein gutes Werkzeug.

Zu empfehlen sind Nagenzangen oder Nagelknipser wie für den menschlichen Gebrauch. Wir bevorzugen Nagelknipser. Hier ist beim Kauf unbedingt zu beachten, wie breit die Öffnung zwischen den beiden Knipsbacken des Kneifers im gebrauchsbereiten Zustand ist. Er sollte mindestens 2,5 mm betragen. Auch sollte das Gerät so lang wie möglich sein, da die Hebelwirkung von der Länge des Hebelarmes und der Stabilität des Ganzen abhängt.

Ein gutes Gerät ist wenigstens 6,5 cm lang.

Sodann ist die Lage des Meerschweinchens wichtig. Wenn es eine Person allein macht, sollte sie sich dazu unbedingt hinsetzen und das Tier auf den Schoß nehmen. Mit der linken Hand das Tierchen an Brust und Vorderbeinen hochheben und mit dem Rücken gegen den eigenen Bauch drücken. Jetzt kann man von oben unter das Tier sehen. Die Hinterfüße hängen leicht in der Luft und die Vorderbeine sind sicher zwischen den Fingern der linken Hand. Nun beginnen wir mit den Hinterfüßen, die gehen leichter und Tier und Mensch kann sich an die Situation gewöhnen. Zum Schnitt werden die Krallen seitlich in den Knipser eingeführt (siehe Bild). Das muß beachtet werden, weil der Druck von oben dem Tier sehr unangenehm ist und es infolgedessen zappelt.


Nun kommt die wichtigste Fragte, wo muß die Kralle abgeschnitten werden. Daztu erst einmal einige Bemerkungen zum Aufbau des Nagels. Der Nagel wächst wie alle Hufe und Krallen von zwei Richtungen zusammen. Von oben in einer breiten massiven Schicht, der Krallenplatte, und von unten in einer dünneren langsamer wachsenden Schicht, der Krallensohle. Beide zusammen bilden eine Art immerwachsender Röhre. Im Innern dieser Röhre sitzt das Nagelbett.

Dies wird gebildet aus der gut durchbluteten Lederhaut, in der sich auch Nervenenden befinden. Normalerweise nutzt sich die obere harte Krallenplatte beim Laufen über Steine und Felsen regelmäig ab. Da unsere Haustiere aber nicht auf hartem Grund laufen, wächst diese Schicht ungeheuer schnell und wird gegenüber der unteren Schicht sehr lang. Dann haben wir oft einen schaufelförmigen Hohlraum an der Spitze der Kralle oder aber bei stark wachsenden Krallen wächst die Krallenplatte ganz rund und geschlossen und fäng an, sich wie ein Gehörn zu drehen. In beiden Fällen muss ein Schnitt erfolgen (siehe Bild).

Der Punkt, an dem der Schnitt erfolgen sollte, ist dort, wo die untere Hornschicht, die Krallensohle, aufhört zu wachsen. Leicht ist dies bei rosaweißen Krallen zu sehen, es ist nämlich dort, wo die Blutgefäße aufhören. Bei den stark gebogenen Krallen, ist meist das erste Stückchen noch gerade und die Stellen, wo der Bogen beginnt, ist das Ende der Krallensohle und somit die Schnittstelle. Hat das Tier verschieden gefärbte Krallen, fängt man immer mit den hellsten an und richtet sich dann nach dieser Länge.Ganz wichtig ist auch die Schnittführung. Die Kralle muß immer in einer natürlichen Stellung geschnitten werden. Auf keinen Fall gerade oder von oben! Sondern immer von unten, so daß die stärker wachsende Oberseite beim Laufen als erstes den Boden berührt. Diese Hornschicht ist für das Gewicht des Tieres ausgelegt und erfüllt die Voraussetzungen für ein schmerzfreies Laufen.

Wir konnten außerdem feststellen, daß die jeweils innerste und der drei hinteren Zehen oft ein längeres Nagelbett hat und also etwas länger bleiben sollte beim Schnitt. Die jeweils äußeren Krallen der Vorderfüße neigen sehr schnell zum Drehen und müssen immer kurz gehalten werden. An den Vorderfüßen sind die Nagelbetten sehr kurz.

Eine weitere zu beachtende Besonderheit, die oft auftritt, ist das Verhornen des äußeren Laufballens der Vorderfüße. Die Verhornung umfaßt den Ballen halbmondförmig und durch den Druck beim Laufen verlängert sich das Horn außen um den Fuß (siehe Bild).

Das Horn ist recht weich und großschilferig und verbindet sich gern mit weichen Kotteilen und Futterresten, wird dann hart und ist dem Tier recht unangenehm. Ist es schon sehr groß, sollte man den Fuß in lauwarmem Wasser weichen und reinigen. Dann läßt sich das Horn leicht mit einer kleinen Schere oder auch dem Knipser entfernen. Wichtig ist, daß man nciht an der Hornschuppe zieht, da sonst schnell der Sohlenballen an der Seite aufreißt und eine große Wunde entsteht. An diesen Wunden entstehen gern Abzesse, die sehr gefährlich sind. Besonders große und kräftige Tiere neigen ab einem gewissen Alter zu solchen Verhornungen an den Sohlenballen der Vorderfüße.

Nun bleibt nur noch die Frage, wie oft sollen die Nägel geschnitten werden? Grundsätzlich kann man sagen, immer dann wenn es nötig ist. Jungtiere brauchen erst im Alter von 8-10 Monaten den ersten Schnitt. Hellhäutige zarte Tiere oft erst viel später. Bei den älteren Tieren empfiehlt es sich eine Kontrolle alle Vierteljahre. Die Unterschiede sind aber individuell sehr groß.

Nägelkontrollieren und -säubern gehört aber ganz sicher zu den Schauvorbereitungen. Gepflegte Nägel sind wie beim Menschen eine gute Visitenkarte. Bei Tieren,d ie zwischen Nagelplatte und Nagelsohle zu Hohlräumen neigen, kann man mit Nagelbürste und lauwarmem Wasser diese von Kot und Schmutzpartikelchen reinigen. Außerdem ist eine absolut saubere Fußsohle wichtig für die Registratur, die während der Ausstellungen durchgeführt werden.

Mithilfe dieser Beschreibungen sollte es jedem Halter und Züchter möglich sein, Nägelschneiden bei seinen Meerschweinchen durchzuführen. Am Anfang geht es vielleicht leichter zu zweit. Einer hält das Tier und eine zweite Person schneidet die Nägel, indem sie immer den jeweiligen Fuß mit festhält.

Sollte es trotz aller Vorsicht doch einmal passieren, daß ein Nagel zu kurz abgeschnitten worden ist, und er blutet, dann ist es trotzdem nicht allzu gefährlich. Als nächstes kann man den Zeh in eine Jodlösung tauchen oder einen Tropfen davon aufbringen. Anschließend sollte man das Tier eine Zeitlang schwebend festhalten, sodaß Jod und Blut eintrocknen können und die Wunde sich verschließt. Das geht bei Meerschweinchen normalerweise sehr schnell. Will man es ganz gut machen, setzt man das Tier dannin einen sauber gemachten Stall, also auf frische Streu, damit es sich keine Keime eintreten kann. Solchermaßen behandelt, kann dem Meerschweinchen nichts passieren. Also, mit Vorsicht und Ruhe ist Nägelschneiden keine Kunst. Quieken lassen übrigens fast alle Schweinchen dabei hören, laßt Euch nicht abschrecken, eine kurze Behandlung ist immer noch weniger schlimm, als lebenslang verkrüppelte und verdrehte Zehen aufgrund zu langer Nägel.


© Karin Stüber, 1999.